Wie alle Corps im WSC und KSCV bekennt sich das Corps Berlin zum Prinzip der Bestimmungsmensur. Daher ist es mehr als angebracht, hierauf im Glossar einzugehen, zumal diesem Thema in wikipedia und in der wissenschaftlichen Literatur ein breiter und öffentlicher Raum gewidmet ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mensur (Studentenverbindungen)
Die Bestimmungsmensur
Eine Mensur ist ein traditioneller Fechtkampf zwischen zwei Mitgliedern zweier Studentenverbindungen mit scharfen Waffen, der sehr strengen Regeln unterworfen ist. Der technische Fachbegriff „Mensur“ kommt aus dem Lateinischen „mensura“ und bezeichnet seit dem 16. Jahrhundert den festgelegten Abstand zwischen den beiden Fechtern.
Das Fechten von Mensuren ist weder Sport noch Duell. Wie beim Sport geht es
nicht um das Austragen von persönlichen Differenzen, dies ist sogar seit 1953 ausdrücklich und strengstens in den jeweiligen sog. „Komments“ untersagt. Die Mensur kennt auch keine Sieger oder Gewinner.
Deshalb heißt es auch im offiziellen Sprachgebrauch, dass „miteinander“ und nicht „gegeneinander“ gefochten wird.
Entscheidend ist die Fechthaltung, auch Contenance genannt. Bewertet wird dies nach Stand, Moral und Technik. Es kommt u.a. auch darauf an, nicht zurückzuweichen („mucken“), sondern den „inneren Schweinehund“ zu überwinden. Es geht auch niemals darum, für eine „Verletzung der Ehre“ Genugtuung mit der Waffe zu geben oder zu verlangen. Dies ist zumal
rechtlich verboten und ausdrücklich seit langem nicht Sinn und Zweck einer Bestimmungsmensur.
Im Gegensatz zum Sportfechten werden bei einer Mensur ausschließlich Hiebe ausgeführt, stechen u.a. oder herumhopsen wie in Musketierfilmen, ist nicht erlaubt. Die Mensurwaffe wird deshalb auch "Schläger" genannt und die Korporation daher "schlagende Verbindung".
Beteiligte und Ablauf
Der Ablauf einer Mensur wird, je nach Hochschulort unterschiedlich, in einem sog Fechtkomment geregelt. Hier werden die Beteiligten aufgeführt, die Schutzausrüstung, bis hin zur Anzahl der Fechtgänge, erlaubte und verbotene Hiebe etc...
Als Zuschauer sind nur Mitglieder der örtlichen Verbindungen aus den jeweiligen Dachverbänden ( beim Corps Berlin z.b. Nur Mitglieder des WSC und des KSCV) zugelassen.
Die Beteiligten bei einer Mensur sind. :
- die beiden Paukanten
- ein Unparteiischer
- die beiden Sekundanten
- die beiden Testanten
- die beiden Schleppfüchse
- die beiden Paukärzte
- die beiden Protokollanten
Den
Unparteiischen wählen die beiden Sekundanten jeweils vor einer Mensur aus. Er darf keiner der beiden miteinander fechtenden Verbindungen angehören. Er muß ebenfalls Mitglied eines der beiden Dachverbände sein und selber schon gefochten haben. Er muß sicherstellen, dass alle Beteiligten sich regelgemäß verhalten. Er darf die Mensur, auch Partie genannt, nicht unterbrechen und auch keine Sanktionen verhängen. Er hat lediglich auf Anfragen der jeweiligen Sekundanten die Recht- oder Unrechtmäßigkeit der Fechthandlung zu testieren.
Wie bei Schiedsrichtern im Sportbereich sind seine Entscheidungen nicht anfechtbar.
Die
Paukanten sind die beiden Fechter. Grundsätzlich gehören sie verschiedenen Verbindungen an. Sie folgen den Kommandos ihres jeweiligen Sekundanten und reden während der Mensur nur mit ihnen, mit sonst niemandem. Seit der Restitutionen der Corps nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Schutzkleidung gegenüber bisherigem Usus erweitert und verstärkt.
Die eiserne Mensurbrille ist noch mit einem sog. Nasenblech versehen, um diese Gesichtspartie besonders zu schützen. Am Hals schützt eine Bandage alle wichtigen Blutgefäße, eine Halskrause schützt sogar den Faszialnerv. Der gesamte Oberkörper ist durch eine Weste aus Hightechfasern in Kombination mit einem Kettenhemd abgedeckt. Der Fechtarm ist durch eine gepolsterte Armstulpe geschützt. Daran ist der mit einem Kettengebinde unterlegte Handschuh des Paukanten genäht. Das Verletzungsrisiko betrifft demzufolge nur den oberen Kopfbereich, in manchen Regionen, je nach Komment, auch die Wangenpartie rechts en face.
Mensuren dürfen nur in Anwesenheit von zwei approbierten
Paukärzten mit entsprechender medizinischer Ausrüstung gefochten werden. Bei jedem Treffer müssen sie konsultiert werden und können jederzeit die Mensur aus medizinischen Gründen abbrechen
Die
Sekundanten sind für den Schutz ihres Paukanten während der Mensur verantwortlich. Sie überprüfen vor Beginn der Partie die Schutzmaßnahmen beider Paukanten und führen ihre Paukanten durch die Mensur. Sie geben die Fechtkommandos und befragen in Zweifelsfällen den Unparteiischen. Sie sind auch wie der Paukant vor Verletzungen durch eine Schutzkleidung gesichert.
Die
Testanten müssen vor jedem Gang die Klingen ihrer Paukanten desinfizieren und auf den regelgerechten Zustand überprüfen.
Die
Schleppfüchse haben die Aufgabe, den Fechtarm der Paukanten in den Pausen zwischen den Gängen zu stützen und unkontrollierte Klingebewegungen zu unterbinden, die andere Teilnehmer verletzen könnten.
Die
Protokollführer stehen neben dem Unparteiischen und halten alle wesentlichen Daten und den Ablauf der Mensur schriftlich fest.
Zur Einübung in die Technik des Fechtens finden regelmäßige Übungen, sog. Paukstunden, statt. Sie werden durch den dafür verantwortlichen Consenior geleitet. Dazu ergänzt ein professioneller
Fechtlehrer diese Ausbildung. Für diese besondere Art der Ausbildung wird ein umfangreiches Arsenal an spezieller Ausrüstung benötigt.
Wenn dann ein Fechter die technischen und persönlichen Voraussetzungen für eine scharfe Mensur erreicht hat, sucht der Consenior für ihn in Zusammenarbeit mit dem Consenior einer anderen Verbindung den Gegenpaukanten für einen der folgenden Fechttage.
Der verantwortliche Consenior, nicht jedoch der Fechter bestimmt denjenigen, mit dem er fechten soll, daher der Begriff der Bestimmungsmensur.
Rechtslage
Im
Göttinger Mensurenprozess (1951-1953)( s. NJW 54/1348) bestätigte der BGH, dass durch die Mensur gefährliche Körperverletzungen im Sinne des StGB entstehen können. Dies sei dennoch nicht strafbar, weil sie mit Einwilligung des potentiell Verletzten zustande kämen. Sie blieben aber nur so lange straflos, solange dies
nicht im Rahmen von Ehrenhändeln vor sich gehe.
Nach der Restitution der Corps ab 1950 stellte sich die Frage nach der Mensur. Insbesondere dadurch, dass während eines Pauktages 1951 in Göttingen Corpsstudenten verhaftet wurden. Im Dezember desselben Jahres besprach der damalige Bundesinnenminister Robert Lehr, ein Corpsstudent, dieses Thema mit Rektoren aus einigen Universitätsstädten sowie Vertretern verschiedener Korporationsverbände.
Im Lauf des Jahres 1952 tagten die relevanten Korporationsverbände und beschlossen den
Verzicht auf die unbedingte Satisfaktion mit der Waffe für ihre jeweiligen Mitglieder.
Am 8.4.1953 unterstrichen die Verbände KSCV, WSC, DB und CC ausdrücklich diesen Verzicht auf die Austragung von Ehrenhändeln mit der Mensurwaffe persönlich gegenüber dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss per Handschlag und persönlichem Ehrenwort.
Udo Janssen, ein Mitglied des Corps Berlin ( fr. Teutonia) wurde von der Freien Universität Berlin die Immatrikulation verweigert, weil er sich zum Mensurenfechten bekannt hatte.
Das BverwG hob diese Entscheidung am 24.10.1958 auf. ( BverwGE 7/287 mit Bezug auf die Entscheidung des BGH vom 29.1.1953.)
Damit gehörte das studentische Duell endgültig der Vergangenheit an.
Sog.“ Ehrenhändel“ müssen laut Komments der beiden Corpsverbände ausschließlich vor sog. Ehrengerichten geklärt werden. Das Austragen von Ehrenhändeln mit der Waffe ist strafrechtlich relevant und in den Satzungen der beiden Verbände ausdrücklich untersagt und führt ggf. zum Ausschluss aus beiden Verbänden.
Historischer Rückblick
Im Mittelalter war das Leben gefährlich, insbesondere für Reisende. Ob Händler, Migranten, Bauern, Ritter, Scholaren oder Studenten, nirgends war man sicher vor Überfällen, die oft nicht nur den Geldbeutel kosteten. Es gab keine einheitliche Rechtsprechung, keine Polizei, ja keine gesamtstaatlichen Organe, an die der Mensch sich hilfesuchend wenden konnte.
Also war man auf sich selbst und eine gute Ausbildung an der Waffe gestellt.
1514 erlaubt als erster Kaiser Maximilian I den Studenten das öffentliche Tragen von Waffen zur Selbstverteidigung. Bis dato war dies Waffenprivileg für Adelige und Soldaten das Insignium ihrer gesellschaftlichen Sonderstellung. Dies war auch verbunden mit eigenen sozialen Ehrenkodizes.
Auch bei den Studenten bildeten sich rasch ein eigenes Standesbewusstsein, hier Komment genannt mit eigener Kleidung, später Couleur genannt. In besonders gefährlichen Zeiten trug man auch besonders dicht wattierte Kleidung .
Regelmäßig und häufig ausgesprochene Rauf- und Duellverbote der Universitäten wurden ebenso regelmäßig ignoriert. Im Laufe der Zeiten bildeten sich Regularien, Techniken und studentische Waffen heraus, die die Raufduelle in den Hintergrund drängten und auf feste Gebräuche hinausliefen. Vorbild des späteren Schlägers war der leichte und elegante Pariser Stoßdegen der bis 1850 in Gebrauch blieb. Seit dem tödlichen Ausgang eines Göttinger Straßenduells 1766 ging man über zum Hiebfechten.
In den 1790 er Jahren wurde den Studenten des Heiligen Römischen Reiches das Waffentragen nur noch bei Überlandreisen gestattet, ansonsten aber verboten. Anstelle der früheren Studentenorden entstanden die frühen Corps zum Teil zunächst als Landsmannschaften.
Bis 1850 fochten Studenten fast ausschließlich Duelle zur Klärung von Ehrenhändeln. Das aufkommende „Renomiergehabe“ führte zu teilweise perversen Erscheinungsformen. Es fanden zu diesem Zwecke teilweise sog. „Kontrahierkneipen“ statt. Hier wurde unter viel Alkohol absichtlich „beleidigt“, um Partien zu „ramschen“.
In vernünftigen Kreisen der Studentenschaft wurde dies zunehmend als unbefriedigend und degoutant empfunden. Um 1860 setzte sich dann das Prinzip der Bestimmungsmensur durch, ein klarer Gegensatz zur unbedingten Satisfaktion, dessen gesellschaftliches Renome` sich steil absenkte und als Gegenstand von Karikaturen im „Simplicissimus“ oder in Heinrich Manns „Untertan“ übriglieb.
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