Dieses Handbuch ist das Arbeitsergebnis der historischen Kommission des WSC 1987
Das Wort Kneipe geht auf das „Hospiz“ zurück, das schon Vaganten des Mittelalters bekannt war. Es waren Gastgelage, zu denen ein Student seine Kommilitonen einlud. Anfang des 19. Jahrhunderts tauchen die ersten Trinkkomments für eine studentische Kneipe auf. Für feierliche Festveranstaltungen wird das Wort Kommers benutzt.
Die offizielle Kneipe ist seit jeher ein besonderes Merkmal des Corpslebens. Der damit verbundene Bierkonsum ist nicht der Zweck der Kneipe.
Gesellige Rituale sind ein wichtiges Bindemittel jeder Gemeinschaft. Es wird erwartet, dass jeder sich korrekt verhält und nicht die Kontrolle verliert. Damit ermöglicht die Kneipe jedem, seine Grenzen zu erkennen, die er einzuhalten hat.
Alkoholgebrauch kann und darf kein Entschuldigungsgrund für schlechts Benehmen sein. Bei aller Fröhlichkeit ist die Kneipe eine offizielle Veranstaltung des Corps. Daher müssen immer das Auftreten und die Kleidung diesem Umstand Rechnung tragen.
Daher muß die Kneipe auch sorgfältig vorbereitet werden. Das ist Aufgabe des Seniors. Alle Corpsbrüder sind verpflichtet, den Senior dabei zu unterstützen und alle Störungen zu vermeiden, die den Ablauf in Frage stellen. Denn eine Kneipe bietet ein gute Gelegenheit für junge Menschen, die Rolle eines Gastgebers einzuüben.
Wenn Teilnehmer der Kneiptafel meinen, die Kneipe biete die beste Gelegenheit, Bier in möglichst großen Mengen in kurzer Zeit zu trinken und mit „Commenreiterei“ Jüngeren zu beweisen, wie gut sie die Kneipenregeln beherrschen, dann zeigen sie nur, dass bei ihnen jegliche Erziehung ohne Wirkung geblieben ist.
Die Vorbereitung der Kneipe
Anhand der Gästeliste wird eine Einladungsliste aufgestellt und die Einladungen werden rechtzeitig postalisch versandt.
Der Senior wird vor der Kneipe einen Plan aufstellen, aus dem hervorgeht, welche Lieder gesungen werden, welche Reden gehalten und wann die Kneipe enden soll.
Bei geplanten Festreden ist Thema und Dauer zusammen mit dem AHV-Vorsitzenden abzustimmen. Für den Getränkekonsum ist rechtzeitig Vorsorge zu treffen., das betrifft auch die Bereitstellung nichtalkoholischer Getränke.
Das Gästebuch ist rechtzeitig vorzubereiten.
Ist die Zahl der Gäste bekannt, bestimmt der Senior, welche Corpsbrüder welche Gäste betreuen.
Auf eine Einladung nicht zu antworten gilt als unhöflich. Ebenso sind Absagen ohne Angaben von Gründen unfreundlich.
Der Kneipcomment
Darunter ist der Ablauf der Kneipe zu verstehen.
Mancher Kneipcomment entspricht heute leider dem, was früher Pennäler, die Studentsein spielen wollten, anwendeten. Diesen Brauch haben Corpsstudenten immer abgelehnt.
Die corpsstudentische Kneipe war immer einfach in ihren Sitten. Gutes Benehmen ist dabei keine Glücksache, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Der Comment ist daher auch nur ein Leitfaden, wie man in guter Form miteinander feiern kann.
Für jeden Corpsstudenten ist die Kneipe zugleich Aussage über das Corps. Sie gibt Auskunft über die Haltung und die Erziehung der Angehörigen und den dort herrschenden Geist.
Die Kneipe ist nicht nur Geselligkeit, sondern immer auch Repräsentation des Corps.
Deshalb sind unnötige Schnörkel tabu.
Bei Überschreitung der Grenzen hat der Senior nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, den Undisziplinierten nach Hause zu schicken. Die Konsequenzen regelt der nächste Convent.
Das Präsidium
Allein dem Senior obliegt die Leitung der Kneipe, auch Präsidium genannt, vom Beginn an bis zum Schluss. Das Contrapräsidium wird vom Fuchsmajor wahrgenommen.
Der Senior hat auf der Kneipe uneingeschränktes Hausrecht. Ein „hohes“ Präsidium gibt es im WSC nicht. Ebenso wenig Vertreter eines „hochwohllöblichen“ Corps NN. Solche und ähnliche sprachliche Verschwurbelungen gehören ins 19. Jahrhundert und gelten heute unter Weinheimer Corpsstudenten nur noch als albern.
Die corpsstudentische Kneipe hat einen offiziellen und einen inoffiziellen Teil. Im letzteren Fall übergibt der Senior die Leitung einem anderen Corpsbruder. Er behält aber die Verantwortung für den ganzen Abend.
Die Betreuung der Gäste
Vor Beginn der Kneipe stehen die Chargierten am Eingang bereit, um die Gäste zu begrüßen. Bei großen Stiftungsfesten gesellt sich der AHV-Vorsitzende dazu. Füchse und aktive Corpsburschen geleiten den Gast zu Garderobe und sind ihm behilflich.
Sie sind dafür verantwortlich, dass die Gästeliste geführt wird. Diese wird auf der Kneipe Grundlage für die Begrüßung.
Die Behandlung und Betreuung der Gäste ist Pflicht für alle Corpsmitglieder. Es muß verhindert werden, dass sich die Gäste ihre Plätze alleine suchen müssen. Der prominenteste Gast wird zur Rechten der Chargierten platziert.
Es ist unbedingt zu vermeiden, dass die Plätze an der Kneiptafel nicht zur Anzahl der Teilnehmer passen. Zu wenig Plätze: erweitern, zu viel Plätze, verkleinern. Die Kneiptafel muß immer den Eindruck von Geschlossenheit vermitteln. Das macht einen guten Gastgeber aus.
"Kommandos"
Bei allen Kommandos erübrigen sich jedwede Schnörkel. Die Kommandosprache ist deutsch. Einige wenige lateinische Elemente haben sich eingebürgert.. Das Latein sollte aber auf wenige Begriffe beschränkt bleiben. So wird z. B. kein cantus angestimmt, sondern ein Lied gesungen. Ein Klavier stimmt die Lieder an, nicht irgendeine "Bierorgel".
Gebietet der Senior das Silentium, so ist es umgehend einzuhalten. Das gilt so lange, bis sich der Senior wieder setzt. Auf gar keinen Fall endet das silentium mit einem Kommando "colloquium". Dies ist nicht nur schlechtes Latein, sondern sprachlich unlogisch.
Begrüßung der Gäste
Die Gäste werden mit einer gesonderten Ansprache begrüßt. Diese Begrüßung soll alsbald nach der Eröffnung der Kneipe erfolgen.
Grundsatz: der Gast wird zuerst begrüßt, der dem Corps am entferntesten ist, dann kommt man konzentrisch zu den näher Stehenden. Dies entspricht dem Protokoll des Auswärtigen Amtes.
Die Gäste werden alle zusammen in einem Durchgang begrüßt.
Die Begrüßung hat dabei den Charakter einer Vorstellung.
Der Zutrunk
Das übliche Kneipgetränk ist Bier. Das Trinken auf der Kneipe dient nicht nur dem Löschen des Durstes und ist schon gar nicht Selbstzweck. Es wird nur zusammen mit anderen getrunken, nie alleine. Denn eine Kneipe dient der gepflegten Geselligkeit.
Der Zutrunk soll ohne aufwendiges Gehabe sein. Es reicht beim Zutrunk völlig aus, wenn der Zutrinkende dem anderen sein Glas leicht entgegenhebt, dabei auf keinen Fall anstößt, zuprostet, trinkt, und anschließend durch kurzes Anheben der Mütze grüßt. Die Mütze wird nur abgenommen auf der Toilette und beim Essen, sowie bei dem Totengedenken.
Es ist guter corpsstudentischer Brauch, den Zutrunk nach angemessener Zeit zu erwidern, indem man „dem freundlichen Zutrunk nachkommt“.
Kneipsitten sollten so nahe wie möglich an gute bürgerliche Manieren heranreichen. Zackiges Schwadronieren ist im Museum zu bestaunen.
Lieder
Grundlage dafür ist das Allgemeine Deutsche Kommersbuch. Es wird dringend empfohlen, die Auswahl der Lieder vorher zu treffen, ggf unbekannte Lieder vorher einzustudieren.. Im offiziellen Teil genügen 3-4 Lieder. Es sollen auch nur Lieder gesungen, die die meisten beherrschen. Das Zerreißen von Liedern durch dazwischen gehaltene Reden ist Unsitte.
Die Festrede
Auf jeder Kneipe sollte, auf jedem Kommers muss im Mittelpunkt eine Rede zu einem allgemeinen Thema stehen. Diese Rede soll Ausdruck für das geistige Umfeld sein, in dem sich das Corps betätigt. Der Inhalt der Rede ist wichtiger als die Prominenz eines Redners. Die Rede sollte die Dauer von max. 25 Minuten nicht überschreiten.
Die Rede des Seniors sollte kürzer sein und den Gästen einen Eindruck von der geistigen Haltung des Corps und seiner aktuellen Aktiven vermitteln.
Die Vertreter- und Dankesreden
Es entspricht corpsstudentischer Sitte, einer guten Kinderstube und dem allgemeinen Komment, sich für Einladungen zu bedanken.
Zunächst sollte der Eingeladene sich schon schriftlich bedankt haben.
Die Vertreterreden sollten sich möglichst bald an die Rede des Seniors oder des Festredners anschließen. Um nicht zu viele Reden hören zu müssen, empfiehlt es sich, die Zahl der Redner möglichst klein zu halten. Ein vom Senior bestimmter Corpsbursche nimmt diese Abstimmung unter den Gästen vor der Kneipe vor. Insbesondere sollten sich die Vertreter hüten, den Festvortrag zu kommentieren. Die Vertreterreden sollten kurz und knapp sein. Die Dankreden sollen in einem Durchgang erfolgen. Das gibt der Kneipe Struktur.
Bierkomment und "Bierstrafen"
Der corpsstudentische Bierkomment ist knapp. Sitten aus Pennälerverbindungen oder anderen Verbänden finden in Corps Berlin nicht statt. Bierspiele jeglicher Art haben auf der offiziellen Kneipe nichts verloren. Hier gilt nur der Zutrunk und das Stärken. Keiner wird „in die Kanne geschickt“ oder ähnlicher sprachlicher Unsinn. Stärken muß sich auf Anordnung des Seniors derjenige Tafelteilnehmer, der sich undiszipliniert verhält. Der Verdonnerte trinkt so lange, bis ihm der Rest „geschenkt“ wird.
Der Salamander
Das Salamanderreiben geht auf ein Bierspiel zurück, das früher zu Ehren des Schnappsgottes Salamander gespielt wurde. Übrigens, der Biergott heißt Gambrinus.
Im WSC ist es üblich, sich beim Salamander zu erheben. Gestelzte Formulierungen bei der Ankündigung, einen Salamander reiben zu lassen, ist nicht corpsstudentisch.
Der inoffizielle Teil
Ausdrücke wie „fidelitas“ oder „Fidulität“ (horribile dictu!!), sind nicht corpsstudentischen Ursprungs und zeugen darüber hinaus von einer völligen Unkenntnis des Lateinischen.
Sie wird auch attische Kneipe genannt. Sie soll durch die Auswahl der Lieder, durch Beiträge von Corpsbrüdern für eine heitere und gelöste Stimmung sorgen. Füchse sind dabei keine Bierschlepper. Dazu ist der Fax oder gemietetes Personal zuständig.
Es gibt im WSC weder eine Fuchsenstall oder einen Burschensalon. Dieses affige Getue sei anderen Verbänden vorbehalten. Auch das reflexhafte Aufstehen der Füchse, wenn der Senior mit „silentium“ um Ruhe bittet, ist nicht corpsstudentisch und tunlichst zu unterlassen.
©cg